Die Geschichte von
den "Kleinen Engeln"
Der kleine rote Kater blieb plötzlich stehen. Hinter
ihm spielten Kätzchen auf einer bunten Sommerwiese, jagten einander
und rauften spielerisch. Es sah so fröhlich aus, aber vor ihm, im klaren
ruhigen Wasser des Teiches, sah er seine Mommy. Und sie weinte bitterlich.
Er tapste ins Wasser und versuchte, sie zu berühren, und als er das
nicht konnte, hüpfte er hinein. Nun war er ganz nass und Mommys Bild
tanzte auf den Wellen fort. "Mommy!" rief er. "Ist etwas
nicht in Ordnung?" Der kleine rote Kater drehte sich um. Eine Dame
stand am Ufer des Teiches, mit traurigen, aber liebevollen Augen.
Der kleine rote Kater seufzte und kletterte aus dem Wasser.
"Das muss ein Fehler sein", sagte er. "Ich sollte nicht hier
sein". Er sah zurück ins Wasser und das Bild seiner Mommy spiegelte
sich wieder darin. "Ich bin doch noch ein Baby. Mommy sagt, das muss
ein Irrtum sein. Sie sagt, ich darf gar nicht hier sein".
Die freundliche Dame seufzte und setzte sich ins Gras. Der
kleine rote Kater kletterte in ihren Schoß. Es war nicht Mommys Schoß,
aber es war fast genauso gut. Als sie begann, ihn zu streicheln und genau
dort unter dem Kinn zu kraulen, wo er es am liebsten mochte, fing er fast
gegen seinen Willen zu schnurren an.
"Ich fürchte, es ist kein Fehler. Es ist Dir bestimmt,
hier zu sein, und Deine Mommy weiß es tief in ihrem Herzen",
sagte die Dame. Der kleine rote Kater seufzte und lehnte seinen Kopf an
den Fuß der Dame. - "Aber sie ist so traurig. Es tut mir so weh,
sie so weinen zu hören. Und auch Daddy ist traurig". "Aber
sie wussten von Anfang an, dass dies geschehen würde". "War
ich denn krank?" Das überraschte den kleinen roten Kater. Niemand
hatte jemals etwas darüber gesagt und er hatte oft zugehört wenn
sie dachten, er schliefe. Sie sprachen stets nur darüber, wie süß
er doch war und wie schnell er gewachsen war.
"Nein, sie wussten nicht, dass Du krank warst",
sagte die freundliche Dame. "Aber dennoch wussten sie, dass sie die
Tränen gewählt hatten". "Nein, das taten sie nicht",
sagte der kleine rote Kater. Wer würde schon Tränen wählen?
Sanft küsste die Dame sein Köpfchen. Er fühlte
sich sicher und warm und geliebt -aber er war noch immer voll Sorge um seine
Mommy. "Ich will Dir eine Geschichte erzählen", sagte die
Dame. Der kleine rote Kater sah auf und sah die anderen Tiere näher
kommen.
Katzen - Big Boy und Snowball, Shamus und Abby und auch
Little Cleo und Robin. Merlin, Toby und Iggy und Zachary , Sweetie, Kamatta
und Obie. Hunde auch - Sally, Baby und Morgan, Rocky und Belle. Sogar eine
Eidechse namens Clyde und einige Ratten und ein Hamster namens Odo. Alle
legten sich erwartungsvoll ins Gras rund um die Dame und sahen wartend zu
ihr auf. Sie lächelte und begann:
Vor langer, langer Zeit gingen die kleinen Engel zum Oberengel
und baten ihn um Hilfe, weil sie so einsam waren. Der Oberengel brachte
sie zu einer großen Mauer mit vielen Fenstern und ließ sie aus
dem ersten Fenster auf alle mögliche Dinge schauen - Puppen und Stofftiere
und Spielzeugautos und vieles mehr. "Hier habt ihr etwas, das ihr lieben
könnt,", sagte der Engel. "Diese Dinge werden eure Einsamkeit
vertreiben".
"Oh, vielen Dank", sagten die kleinen Engel. "Das
ist gerade, was wir brauchen". "Ihr habt das Vergnügen gewählt",
erklärte ihnen der Oberengel. Aber nach einiger Zeit kamen die kleinen
Engel zurück. "Dinge kann man schon lieben", meinten sie.
"Aber sie kümmern sich nicht darum, dass wir sie lieben",
Der Oberengel führte sie zum zweiten Fenster. Sie sahen hinaus und
sahen alle möglich Arten wilder Tiere. "Ihr könnt diese Tiere
lieben", sagte er. "Sie werden wissen, dass ihr sie liebt."
Die kleinen Engel waren begeistert. Sie liefen hinaus zu
den Tieren. Einer gründete einen Zoo, ein anderer ein Naturschutzgebiet,
einige fütterten die Vögel. "Ihr habt die Befriedigung gewählt",
sagte der Engel. Aber nach einiger Zeit kamen die kleine Engel zurück.
"Sie wissen, dass wir sie lieben", sagten sie. "aber sie
lieben uns nicht wieder. Wir möchten auch geliebt werden."
So führte sie der Oberengel zum dritten Fenster und
zeigte ihnen die Menschen. "Hier sind Menschen zum Lieben", erklärte
er ihnen. Die kleinen Engel eilten hinaus zu den Menschen. "Ihr habt
die Verantwortung gewählt", sagte der Oberengel. Aber bald waren
sie wieder zurück. "Menschen kann man schon lieben", klagten
sie "aber oft hören sie auf, uns zu lieben und verlassen uns.
Sie brechen unsere Herzen."
Der große Engel schüttelte den Kopf. "Ich
kann euch nicht mehr helfen. Ihr müsst mit dem zufrieden sein, was
ich euch gegeben habe". Da entdeckte einer der kleinen Engel ein weiteres
Fenster und sah kleine und große Hunde und Katzen, Eidechsen, Hamster
und Frettchen. Die anderen liefen herbei und bestaunten sie. "Was ist
mit denen?" riefen sie.
Aber der Oberengel schob sie vom Fenster weg. "Das
sind Gefühlstrainer", sagte er. "aber wir haben Probleme
mit ihrem Operating System". "Würden sie wissen, dass wir
sie lieben?" fragte einer. "Ja", erwiderte der Oberengel
widerstrebend. "Und würden sie uns wiederlieben?" fragte
ein anderer. "Ja", erwiderte der große Engel. "Werden
sie je aufhören, uns zu lieben ?" riefen sie. "Nein",
gestand der große Engel. "Sie werden euch für immer lieben".
"Dann sind sie genau das, was wir uns wünschen", riefen die
kleinen Engel.
Aber der Oberengel war sehr aufgeregt. "Ihr versteht
nicht", erklärte er ihnen. "Ihr müsst sie füttern.
Und ihr müsst ihre Umgebung reinigen und immer für sie sorgen".
"Das tun wir gerne", riefen die kleinen Engel. Und sie hörten
nicht zu. Sie beugten sich nieder und nahmen die zahmen Tiere in die Arme
und die Liebe in ihrem Herzen spiegelte sich in den Augen der Tiere. "Sie
sind nicht gut programmiert" rief der Oberengel, "es gibt keine
Garantie für sie. Wir wissen nicht, wie lange sie halten. Manche hören
sehr rasch auf zu funktionieren, und manche halten länger!" Aber
das kümmelte die kleinen Engel nicht. Sie drückten die warmen
weichen Körperchen an sich und ihre Herzen füllten sich mit Liebe,
so dass sie fast zersprangen. "Wir haben unsere Chance!" riefen
sie.
"Ihr versteht nicht", versuchte es der Oberengel
zum letzten Mal. "Sie sind so gemacht, dass selbst der Haltbarste von
ihnen euch nicht überleben wird. Euer Schicksal wird sein, durch ihren
Verlust zu leiden!"
Die kleinen Engel betrachteten die Tiere in ihren Armen
und schluckten. Dann sagten sie tapfer: "Das macht nichts. Es ist ein
fairer Tausch für die Liebe, die sie uns geben." Der Oberengel
sah ihnen nach und schüttelte den Kopf. "Nun habt ihr die Tränen
gewählt", flüsterte er.
"Und so ist es auch geblieben", meinte die freundliche
Dame. "Und jede Mommy und jeder Daddy weiß das. Wenn sie euch
in ihr Herz schließen, wissen sie, dass ihr sie eines Tages verlassen
werdet und sie weinen müssen."
Der kleine rote Kater setzte sich auf. "Warum nehmen
sie uns dann zu sich?" fragte er erstaunt. "Weil auch nur eine
kurze Zeit eurer Liebe den Kummer wert ist." "Oh", sagte
der kleine Kater und starrte wieder in den Teich. Da war noch immer das
Bild seiner Mommy, weinend. "Wird sie jemals aufhören zu weinen?"
Sie nickte. "Sieh, der Oberengel bedauerte die kleinen Engel. Er konnte
die Tränen nicht wegzaubern, aber er mochte sie besonders". Sie
tauchte die Hand in den Teich und ließ das Wasser von ihren Fingern
tropfen "Er machte heilende Tränen aus diesem Wasser. Jede Träne
enthält ein bisschen von der glücklichen Zeit und all dem Schnurren
und Streicheln und der Freude an Dir. Wenn Deine Mommy weint, heilt ihr
Herz. Es mag seine Zeit dauern, aber durch ihre Tränen fühlt sie
sich besser. Nach einiger Zeit wird sie nicht mehr so traurig sein, wenn
sie an Dich denkt, und sich nur der schönen Zeit erinnern. Und sie
wird ihr Herz wieder für einen neues Kätzchen öffnen."
"Aber dann wird sie eines Tages wieder weinen!"
Die Dame lächelte ihn an und stand auf. "Aber sie wird auch wieder
jemanden liebhaben. Daran wird sie denken".
Sie nahm Big Boy und Snowball in ihre Arme und kraulte Morgan
genau dort am Ohr, wo sie es so mochte. "Sieh nur, die Schmetterlinge
kommen. Sollen wir nicht spielen gehen?" Die anderen Tiere liefen voraus,
aber der kleine rote Kater wollte seine Mommy noch nicht verlassen. "Werden
wir jemals wieder zusammen sein?" Die freundliche Dame nickte. "Du
wirst in den Augen jeder Katze sein, die sie ansieht. Und sie wird Dich
im Schnurren jeder Katze hören, die sie streichelt. Und spät in
der Nacht, wenn sie einschläft, wirst Du ihr nahe sein und ihr werdet
beide Frieden haben. Und bald, eines Tages, wirst Du ihr einen Regenbogen
senden, damit sie weiß, dass Du in Sicherheit bist und hier auf sie
wartest."
"Das gefällt mir", sagte der kleine rote
Kater und warf einen letzten langen Blick auf seine Mommy. Er sah ihr Lächeln
unter ihren Tränen und wusste, dass ihr eingefallen war, wie er fast
in die Badewanne gefallen wäre. "Ich hab dich lieb, Mommy",
flüsterte er. "Es ist schon okay, wenn Du weinst". Er blickte
nach den anderen, die spielten, und lachten mit den Schmetterlingen. "Oh,
Mommy? Ich gehe jetzt spielen, okay? Aber ich werde immer bei Dir sein,
das verspreche ich." Dann wandte er sich um und lief den anderen nach.
|